Meldung vom 04.09.2014
- Das Internet hat unsere Medienlandschaft dramatisch verändert
- Fernsehen wird als Leitmedium mehrheitlich abgelöst
- Was gelesen/gesehen/gehört wird, entscheidet der Moment, nicht das Bildungsniveau
- Inhalte werden „flüssig": Die Geschichten lösen sich vom Medium
- Journalistinnen und Journalisten werden zu Content-Kuratoren
- Aktive Mediennutzer beteiligen sich am „Geschichtenerzählen"
Dies sind die wichtigsten Ergebnisse einer Analyse, die das Zukunftsinstitut im Auftrag der Telekom Austria Group im Vorfeld des diesjährigen future.talks durchgeführt hat. Die Thesen des Instituts werden im September beim future.talk 2014 mit dem Titel „Brave News World. Why newsmakers and newstakers change." diskutiert.
„Es gibt wohl kaum einen Bereich, der stärker von der digitalen Revolution betroffen ist, als die Medienwelt. Die Zeit, die wir mit Medien verbringen, steigt stetig an, auch wenn traditionelle Medien wie Zeitungen, TV und Radio stark an Anteilen am Gesamtmarkt verlieren. Das Internet ist damit der Haupttreiber für diese Zuwächse. Durch die Digitalisierung ergeben sich interessante Fragestellungen für die Medienproduktion, die Mediennutzung und auch für die Verbreitung von Inhalten. Die gesellschaftlichen Auswirkungen, die sich daraus ergeben, werden wir beim diesjährigen future.talk diskutieren", so Hannes Ametsreiter, Generaldirektor Telekom Austria Group und A1.
Fernsehen ist bei „Digital Champions" out
Der A1 Privatkundenstudie zufolge verbringen die Österreicherinnen und Österreicher pro Tag im Schnitt etwas über drei Stunden mit dem Internet (11 % davon am Handy). Bei jüngeren Menschen haben Handy und Internet längst das Fernsehen als Leitmedium abgelöst1. Das belegen auch die Spitzenwerte bei den „Digital Champions" (im Schnitt 29 Jahre alt, männlich, ca. 6 % der erwachsenen Gesamtbevölkerung)2, die 7,3 Stunden pro Tag mit dem Internet verbringen und dort auch ihre primäre Informationsquelle sehen.
Das Ende der Schublade: Der Moment entscheidet über die Wahl der Medien
Die Kernthese des Zukunftsinstituts lautet: „Die Nutzungssituation entscheidet über die Wahl des Mediums. Herkunft und Bildungsniveau verlieren ihre Bedeutung". Der Nutzer lässt sich nicht mehr nach starren demographischen Merkmalen in Schubladen pressen. Die Einteilung in klar definierbare Zielgruppen gehört der Vergangenheit an. Durch die flächendeckende Verfügbarkeit des Internet bietet sich eine Vielzahl von Möglichkeiten, an jedem Ort der Welt, in nahezu jeder Situation – zu Hause am Frühstückstisch oder unterwegs in der Bahn – und über verschiedenste Geräte am Puls des Geschehens zu sein. Der Medienmix der Menschen ist stark abhängig vom Aufenthaltsort, von der technischen Ausstattung, von der Tageszeit und dem Zeitbudget, das sie aktuell für Medienkonsum aufbringen können. „Der Trend geht – vor allem unterwegs - stark zu Diffusionsmedien. Sie bieten primär Zerstreuung, geben einen schnellen Überblick und signalisieren den Nutzern: Alles in Ordnung. Die Welt ist noch da", analysiert Matthias Horx, Trend- und Zukunftsforscher sowie Gründer des Zukunftsinstituts. Dies können sowohl Online-Newsseiten sein oder auch der Newsstream, den das soziale Umfeld auf Social Media wie Facebook oder Twitter zusammenstellt. Der rote Faden der Geschichten bleibt dabei aber gleich. Will sich der User ganz und gar auf die Inhalte konzentrieren, dann greift er zu sogenannten Fokusmedien: Die Menschen beschäftigen sich dann mit „Slow Media" wie Büchern, Filmreportagen oder hochwertigen Medien.
Kein Anfang und kein Ende: „Flüssige" Geschichten & die Entmachtung dominierender Player
„Wir haben es heute mit einer stark ausdifferenzierten Medienlandschaft zu tun, in der die dominierenden Player zunehmend an Macht und Einfluss verlieren. Die großen Geschichten, die die Menschen beschäftigen, werden von vielen unterschiedlichen Medien erzählt und sie sind über unterschiedlichste Kanäle verfügbar", so Matthias Horx. Die Geschichten werden flüssig, verschiebbar, lassen sich ergänzen, verändern, erweitern, teilen. All das fasst Horx unter dem Begriff „Liquid Media" zusammen. Und seine These dazu lautet folglich: „Medieninhalte werden flüssig. Die Macht dominierender Medien nimmt ab." Hannes Ametsreiter ergänzt: „Die Zukunft liegt im ‚seemless content'. Wenn Sie am Abend bei Ihrer Lieblingsserie müde werden und vom Sofa ins Bett umziehen, werden sie die Serie im Bett zu Ende schauen. Ohne irgendetwas suchen oder neu laden zu müssen oder auch nur eine Sekunde zu verpassen."
Das „Publikum" erzählt die Geschichte mit
Die Grenzen zwischen Mediengattungen verschwimmen. Leser, Zuhörer und Zuschauer werden zu interaktiven Usern, die aktiv in die Geschichte eingreifen. Dies führt Horx zu einer weiteren These: „Journalisten verlieren ihr Monopol als Experten für Nachrichten". Heute hat jede Einzelperson, jedes Unternehmen die Möglichkeit, selbst Inhalte zu produzieren und online zu verbreiten. Der Zugang zu den Produktionsmitteln ist einfach und kostengünstig und es bestehen keine Beschränkungen hinsichtlich Seitenzahlen oder Sendezeiten. Auch ist es heute ohne weiteres möglich, mehrere Medien parallel zu nutzen. Der „Second Screen" gehört mittlerweile zum Standardrepertoire vieler Menschen. Sie recherchieren via Laptop, Smartphones und Tablets zusätzliche Infos während einer Fernsehsendung oder diskutieren die gesendeten Inhalte mit anderen auf Social Networking Plattformen. In Österreich sind 22 % der Internetnutzer so gut wie immer parallel zum Fernsehen online. Bei den Jungen bis 29 Jahre sind es sogar 27 %.3 Damit trägt das Publikum unmittelbar zur Erzählung der Geschichte bei. Das führt zur nächsten These: Durch diese neuen Möglichkeiten entsteht eine „neue Form des hybriden Journalismus".
Des Journalisten neue Rolle: Vom Produzenten zum Kurator
Obwohl sich immer mehr Menschen selbst als Content-Produzenten betätigen und damit das tun, was bislang hauptsächlich von Journalisten gemacht wurde, wird die Rolle der Journalisten keinesfalls obsolet, erläutert Horx. Sie wandelt sich nur. Gerade bei der Fülle an Inhalten, die ins Netz gestellt werden, braucht es ausgebildete Medienleute, die diese filtern, bewerten und entlang bestimmter Themen aufbereiten. Je mehr unterschiedliche Player mit teilweise sehr spezifischen Interessen ihre Beiträge publizieren, desto wichtiger ist es, dass es Menschen gibt, die all das auch in einen größeren Kontext stellen können. Die dazugehörige These lautet daher: „Das Kuratieren von Inhalten wird zur neuen Hauptaufgabe von Journalisten." Und dabei kommt ihnen die Technik sehr zu Hilfe, denn neue Tools wie z. B. Storify vereinfachen es, den Content zu einem bestimmten Thema zu ordnen und aufzubereiten.
Fazit: Erfolg hat, wer die Aufmerksamkeit der Nutzer auf allen Kanälen gewinnt
Aus den fünf Thesen leitet Horx eine Prognose für die Zukunft der Medien ab und meint: „Die primäre Ressource in der Evolution der Medien ist die Aufmerksamkeit ihrer Nutzer. Den Medien muss es gelingen, ihre Nutzer auf allen Kanälen zu fesseln. Medienunternehmen, die unter dem Dach einer starken Marke beides schaffen – Zerstreuung bieten und spannenden Content für die fokussierte Nutzung liefern - werden in der Medienwelt der Zukunft erfolgreich sein".
Medienzukunft mitgestalten
„Gerade im Zusammenhang mit Nachrichten und Medien gibt es noch viele ungenutzte Möglichkeiten, die moderne Technologien uns bieten. So wie sich immer mehr Menschen an den Erzählungen beteiligen, wie Matthias Horx das beschrieben hat, sollten auch immer mehr sich aktiv bei der Gestaltung der Medienwelt einbringen. Der Medienwandel bietet viele Chancen, die uns als Gesellschaft weiterbringen können. Diese wollen wir am 23. September gemeinsam mit Arianna Huffington, Präsidentin und Chefredakteurin von 'The Huffington Post', und unseren Gästen beim future.talk 2014 diskutieren", so Hannes Ametsreiter abschließend.
Weitere Infos zum future.talk 2014 unter http://www.futuretalk.com
Über die Analyse
Die Untersuchung wurde 2014 durch das Zukunftsinstitut Österreich im Auftrag der Telekom Austria Group auf Basis einer ausführlichen Sekundäranalyse durchgeführt. Die daraus resultierenden Ergebnisse und Schlüsse wurden im Kontext der großen gesellschaftlichen Wandlungsphänomene - der Megatrends - reflektiert. Basis ist eine vom Zukunftsinstitut veröffentliche Studie zur Zukunft der Medien aus dem Jahr 2013.
Über das Zukunftsinstitut
Das Zukunftsinstitut wurde 1998 gegründet und hat die Trend- und Zukunftsforschung in Deutschland von Anfang an maßgeblich geprägt. Heute gilt das Institut als einer der einflussreichsten Think-Tanks der europäischen Trend- und Zukunftsforschung. Die Frage, mit der wir uns täglich auseinandersetzen, ist einfach gestellt: Welche Veränderungen – welche Trends und Megatrends – prägen unsere Gegenwart und welche Rückschlüsse lassen sich daraus für die Zukunft von Gesellschaft, Unternehmen und Kultur schließen? Die Antworten sind mitunter komplex, immer aber machen wir es uns zur Aufgabe, den Wandel begreifbar zu machen, ihn zu moderieren und Zukunft als Chance zu sehen.
Weitere Infos unter: http://www.zukunftsinstitut.de
1 Siehe u. a. Studien aus Deutschland: http://www.hans-bredow-institut.de/webfm_send/730 und http://www.hans-bredow-institut.de/webfm_send/734
2 Laut A1 Privatkundenstudie sind Digital Champions im Schnitt 29 Jahre alt und zu 70 % männlich. In Summe umfasst dieses Segment etwa 425.000 Personen.
3 Quelle: Mobile Communication Report 2014, N= 1.004, Mai bis Juni 2014